Gesangverein "Eintracht" 1877 

Wiesbaden-Schierstein 

Aus vergangenem Zeitgeschehen                                            Die „Eintracht„ hat eine Mission erfüllt von Albert Weber und Adolf Wehnert, ergänzt von Volker Birck

Die vergangenen, mehr als 130 Jahre wurden von der „Eintracht„ in erster Linie mit Kulturarbeit ausgefüllt. Das deutsche Lied, insbesondere aber das Volkslied, wurde gehegt und gepflegt. Vergessen wurde auch nicht der Dienst am Nächsten; auch als Freudenspender konnte sich der Verein einen Namen machen.  Was aber besonders wichtig war, innerhalb des Vereines fand immer wieder ein Regenerieren statt. Und dieses Regenerieren war buchstäblich ein Strom des Segens, denn nur so konnte der Verein in seiner Gesamtheit gesehen bis auf den heutigen Tag jung bleiben. Segensreich war die Arbeit in der Vergangenheit und Gegenwart, sie wird es hoffentlich auch in Zukunft bleiben. Bei der „Eintracht„ ist zum Glück nichts vom Nachlassen der Kräfte zu spüren. Sie steht jugendfrisch wie einst in unserer Zeit und beschreitet den weiteren  Weg in die Zukunft mit Vertrauen auf die eigene Stärke.

Die Gründung des Gesangvereins „Eintracht„ fällt in den Beginn einer Zeitepoche, die man später als das goldene Zeitalter bezeichnete. Doch wie so oft lagen gerade damals Licht und Schatten, Freud und Leid, Niederge-schlagen- und Aufgeschlossenheit nahe beieinander. Und doch, es war eine geruhsame Epoche – sie ging vorüber. Zwei furchtbare Weltkriege mit schrecklichen Folgen rasten über uns hinweg. Und dennoch, die „Eintracht„ blieb bestehen, sie konnte und durfte nicht untergehen.

Alte Folianten, Festbücher, Protokollbücher, handschriftliche Notizen und Zeitungsausschnitte lassen den Weg in die Vergangenheit einwandfrei verfolgen. „Das Vereinsschiff„ wurde gerüttelt und geschüttelt, es schien auch einmal dem Untergang geweiht, aber daraus wurde nichts, denn dem Resignieren folgte das Aufbäumen und ein „nun erst recht„! Hingebungsvoll und leidenschaftlich waren die Vorsitzenden und Präsidenten ihrer „Eintracht„ ergeben.

Wenn man die hochsommerlichen Geschehnisse des Jahres 1877 in Schierstein genau unter die Lupe nimmt, dann kommt man nicht um die Feststellung herum, dass der Gesangverein „Eintracht„ 1877 aus Opposition gegründet wurde. Eine ganze Anzahl jüngerer Mitglieder des damaligen Gesangvereins „Germania„ (heute MGV 1842) übte sie aus und war entschlossen, einen neuen Gesangverein zu gründen, der in der Führung ihren Idealen entsprach.

Die Oppositionellen handelten! Sie hatten den Mut, sich aus einer Gemeinschaft zu lösen, in der nicht gleiches Recht für alle oberstes Gesetz war. Im Gasthaus „Zur Station Schierstein„ (Besitzer Phillip Lang, Bahnhofstrasse 11, jetzt Freudenbergstraße 11) wurde am 20. August 1877 der Gesangverein „Eintracht„ gegründet. Zur Gründungs-versammlung hatten sich 22 sangesfreudige Idealisten in der sog. Flügelstube eingefunden. Es gab keine langen Diskussionen, denn alle waren sich einig. Dass die Bezeichnung „EINTRACHT„ zum Gesangverein hinzugefügt wurde, sollte eine ständige Mahnung und Verpflichtung sein, keine Zwietracht aufkommen zu lassen. Dass das nicht immer einfach war, wird sich noch ergeben.

Von der Gründung wurde ein Protokoll angefertigt, das alle unterschrieben. Es befindet sich heute noch im Besitz des Vereines. Um sofort einen kleinen finanziellen Rückhalt zu haben, zahlten sie 2 Mark in die Vereinskasse und legten einen Monatsbeitrag von 30 Pfg. fest. Lodernde Begeisterung erfaßte die jungen „Eintrachtler„, denn was nun innerhalb weniger Tage geschah, war nur von ihr zu bewältigen. Bereits zwei Tage nach der Gründung wurde eine Mitgliederversammlung abgehalten. An ihr nahmen bereits 25 Sänger teil. Diesmal wurde der Vorstand gewählt. Den Posten des 1. Vorsitzenden übernahm nach einstimmiger Wahl Philipp Bender.

Der Vorstand wurde beauftragt, die Statuten vorzulegen. Eine weitere Mitgliederversammlung genehmigte sie am 25. August. Sie mußten allerdings noch von der Ortspolizeibehörde überprüft werden. Am 15. September 1877 gab die Ortspolizeibehörde, vertreten durch den damaligen Bürgermeister, bekannt, dass sie genehmigt waren. 

Die Wirtschaft der Bierbrauerei Ebenauer Wwe. wurde als erstes Vereinsheim auserwählt. Zum Dirigenten konnte Kapellmeister Hofmann aus Biebrich verpflichtet werden.

Das Vereinsschiff „Eintracht„ konnte nun alle Segel setzen und beweisen, dass es geeignet war, in kultureller Hinsicht ein wertvolles Instrument zu sein. Um das gerecht beurteilen zu können, muss man sich vor allem in jene Zeiten zurückversetzen, als es weder Rundfunk noch Fernsehen gab und Schierstein mehr ein ländlicher als ein industrieller Ort war. Die Verkehrsverbindungen zu den nahen Städten Mainz und Wiesbaden waren mehr schlecht als gut. Da konnte es nicht ausbleiben, dass dem kulturellen Schaffen der Vereine besondere Bedeutung beizumessen war. In dieser Zeit hat der Gesangverein „Eintracht„ eine Mission erfüllt, die wir heute noch bewundern müssen. In diesem Zusammenhang wollen wir weder beachten, dass der Verein an zahlreichen Gesangswettstreiten erfolgreich teilnahm und dass er wertvolle Konzerte in Schierstein veranstaltete, sondern wir wollen an die geselligen Veranstaltungen denken, an die Festbälle und nicht zuletzt an die großartigen Theateraufführungen. Es waren lauter echte Idealisten, die begeisterungsfähig waren, die neben ihrer damals wirklich sehr langen Tagesarbeit immer noch Zeit und Muse fanden, sich in vielen Proben darauf vorzubereiten, um zu gewissen Zeitpunkten ihren Mitmenschen Entspannung und Freude bieten zu können.

 Der Wandel der Zeit machte auch bei der „Eintracht„ nicht halt. Aber eins sei festgestellt: Der Verein ist auch heute immer noch bereit, bei der Gestaltung von allgemeinen kulturellen Veranstaltungen aktiv mitzuwirken. In den vergangenen Jahren anläßlich des Hafenfestes oder bei der Feier „50 Jahre Eingemeindung Schierstein zu Wiesbaden„. Der Applaus bewies ihnen, wie gut ihr Gesang „angekommen„ ist.